Bustee Welfare Centre (BWC)

Ohne Bildung keine Zukunft

Bildung ist in Indien DIE Chance, um ein eigenständiges Leben führen zu können und deshalb hoch angesehen. Aber gerade für Slumkinder ist es oft schwierig, überhaupt eine einfache Schulbildung zu erhalten. Viele müssen schon sehr früh zum Einkommen der Familie beitragen. Mädchen arbeiten zumeist als Haushaltshilfe, Buben als Laufbursche oder in kleinen Werkstätten. Es fehlen Zeit, Verständnis und einfach Platz zum Lernen. Hinzu kommen häufige Konflikte und Probleme in den Familien. Das benachteiligt die Kinder in „normalen“ Schulen, wo sie es wegen ihrer Herkunft ohnehin nicht einfach haben. Deshalb bedarf es einer besonderen Ansprache, eines Schulkonzepts, das auf ihre Bedürfnisse individuell eingeht.

Im Bustee Welfare Centre werden ca. 500 Kinder betreut, der Großteil davon in den eigenen Einrichtungen, vom Kindergarten bis zur 7. Klasse. Im Anschluss besuchen die meisten BWC-Kinder öffentliche Schulen. Sie sind nun gut vorbereitet, um sich zu behaupten – was u.a. ihre überdurchschnittlichen Leistungen und Erfolge an höheren Bildungseinrichtungen bis hin zur Universität belegen. Für diejenigen, die nach der Pflichtschulzeit nicht weiter machen können, wurde am BWC 1997 eine Berufsschule gegründet. Hier werden handwerkliche und fachliche Kenntnisse vermittelt: von Handarbeiten, Schneidern und Kochen bis zur fachlichen Qualifikation als diplomierte Kosmetikerin oder Elektriker. Dadurch können sie besser über ihr eigenes Schicksal bestimmen und maßgeblich zum Unterhalt der Familie beizutragen.

Viel mehr als nur Schule

Im Laufe von fast vier Jahrzehnten hat BWC in den bustees großes Vertrauen erworben und ein Netzwerk aufgebaut, das weit über schulische Ausbildung hinaus wirkt. Das BWC funktioniert wie eine große Familie – professionell geführt, aber mit individueller Betreuung und Unterstützung in allen Bereichen.

In den letzten Jahren richtete das BWC zunehmend Projekte ein, um die Mütter einzubeziehen. Sie sind Mittelpunkt der Familie und insofern „treibende Kraft“ um die Lebensbedingungen zu verbessern. In „Mutter & Kind Kursen“ werden wichtige Kenntnisse zu Erziehung und Gesundheit vermittelt, die den beschwerlichen Alltag erleichtern. Und vor allem entstehen neue Beziehungen, die positiv in die bustee-Community hinein wirken. Im „Adult Literacy Program“ lernen Frauen, denen bisher jegliche Schulbildung verwehrt blieb, nicht nur Lesen und Schreiben, sondern viele Dinge außerhalb ihres monotonen, arbeitsreichen Alltags. Sie erfahren Gemeinschaft, gegenseitige Hilfe und Respekt. Und ihre Männer sind stolz auf sie. So vervielfacht sich die Wirkung von BWC-Angeboten vielfach in den Communities, zum Wohle vieler Menschen. Es gibt viele Ideen für die Zukunft, wie man diesen „Gewinn für alle“ mit relativ geringem Aufwand noch steigern kann.

Die Sozialen Dienste im BWC

Die professionelle Sozialarbeit ist ein Herzstück des BWC-Netzwerks. Hier laufen viele Fäden zusammen, werden die Kinder und ihre Familien umfassend betreut und beraten. Ganz gemäß dem Grundsatz in die Gemeinschaft hineingehen, herausfinden, was gebraucht wird und sich daran ausrichten. Solchermaßen sind die Strukturen und Aktivitäten organisch gewachsen, d.h. nicht extern konzipiert, sondern aus den Ideen und Bedürfnissen der Menschen in den bustees heraus entstanden.

Home Visit im Bustee

Die Sozialarbeiterinnen besuchen regelmäßig die Familien in den bustees, um das Lebensumfeld der Kinder zu beobachten. Sie mischen sich nicht in private Angelegenheiten ein, vertreten aber klare Regelungen und stehen bei Problemen helfend zur Seite. Jedes einzelne Kind wird individuell betreut, seine Fortschritte und alle Maßnahmen genau dokumentiert. Das ist sehr aufwendig, aber nur so kann sichergestellt werden, dass jedes Kind das bekommt, was es braucht. Und dass die Zuwendungen nicht in den Familien „versickern“, sondern zweckgebunden verwendet werden. Darüber hinaus gilt es, eine feine Balance zu halten: zwischen individueller Förderung auf der einen und Gleichbehandlung auf der anderen Seite. Ohne diese professionelle Vorgehensweise würde das BWC nicht so gut funktionieren bzw. hätte nicht dieses Vertrauen in den bustees erwerben können.

Das BWC-Netzwerk lebt vom Engagement vieler: den Mitarbeitern und Ehrenamtlichen in Kalkutta, den Förderern in Indien und im Ausland, und natürlich denen, die es aktiv gestalten und sich darin entfalten können – die Kinder, Absolventen / Ehemalige und die Communities in den bustees. Alles gemäß dem Prinzip learn and earn (lernen und nutznießen). Die Menschen werden befähigt, selbständig zu werden und somit zum Wohle ihrer Familien und der Community wirken zu können.